Der Schimmelreiter

Text und Musik: Lutz Hering
veröffentlicht 1998

 

Der Deichgraf Hauke Haien war ein stolzer Friesenmann,
er hieß der Schimmelreiter, so fängt die Sage an.
Er lebte an der Nordsee am Haff vor Jeversand,
mit allen seinen Kräften schützt er Menschen, Deich und Land.

Refrain
Der Schimmelreiter reitet weiter durch Sturm und Nebelnacht,
ein Irrlicht zwischen Tod und Teufel, der Deichgraf hält die Wacht,
Hauke Haien hält die Wacht, Hauke Haien hält die Wacht.

Der Schimmelreiter reitet weiter durch Sturm und Nebelnacht,
ein Irrlicht zwischen Tod und Teufel, der Deichgraf hält die Wacht,
Hauke Haien hält die Wacht, Hauke Haien hält die Wacht.

Zwischen Wattenmeer und Vorland sieht er guten Landgewinn,
ein neuer Deich, ein neuer Koog bestimmen seinen Sinn.
Nach langem Planen, Rechnen ist das Werk zurecht gedacht,
alle Männer und Fuhrwerke sind im Einsatz Tag und Nacht.

Der Deich wächst in zwei Jahren und trotz Land dem Meere ab,
neue Siele, neue Priele gedeihen unter Haukes Stab.
Ganz begeistert und besessen fehlt dem Deichgraf jedes Maß
und Unverstand und Missgunst wachsen schneller als das Gras.

Damit der Deich hält Fluten, sei begraben nach Manier
in diesem Werk das Leben eines Menschen oder Tier.
Doch Hauke wehrt dem Volke diesen Aberglaubensbrauch,
schürt das Feuer seiner Feinde, das sich weiter frisst mit Rauch.

Man sagt, der Schimmelreiter hätt‘ den Teufel wohl im Bund,
kein Keuchen seines Pferdes, kein Hufschlag ward je kund.
Die Augen, sagt man, funkeln bei Ross und Reiter gleich
und wie Dämonen fliegen sie über Koog und Deich.

In einer dunklen Winternacht kommt das Meer in wilder Wut
zu holen, was ihm abgetrotzt, und haushoch springt die Flut.
Die Wellenberge aufgetürmt, Nordwestwind brüllt eiskalt.
Wer dämmt die Wasserfluten und die Naturgewalt?

Der Schimmelreiter steht am Deich und kämpft mit jedem Mann.
Wie auf verlornem Posten gehen sie die Fluten an.
Was auch die Männer wehren, das Meer holt Stück für Stück
aus leckgeschlagenen Deichen geraubtes Land zurück.

Die Hochflut bricht die Deiche, wogt über Land und Koog,
der Deichgraf sieht’s als Zeichen und folgt dem Wassersog.
„Herr Gott, nimm mich“, ruft Hauke, „lass andere ohne Grund!“
So stürzen Ross und Reiter sich in den Brakenschlund.

Drauf schließt sich bald der Deichbruch und es legt sich der Orkan.
Die Wasser fließen langsam ab, grau fängt der Morgen an.
Der Schimmelreiter kehrt zurück, wenn neues Unheil droht,
fliegt über Koog und Deiche als Warnung vor dem Tod.

Der Schimmelreiter reitet weiter durch Sturm und Nebelnacht,
ein Irrlicht zwischen Tod und Teufel, der Deichgraf hält die Wacht,
Hauke Haien hält die Wacht, Hauke Haien hält die Wacht.